Traineeprogramme als spezielle Förderprogramme für Hochschulabsolventen ermöglichen sowohl den Unternehmen als auch den Trainee, sich gegenseitig besser in konkreten Praxisphasen kennenzulernen und so den bestmöglichen Einsatz als künftige Führungskraft und als Spezialist ausfindig zu machen.
Wie gut dies gelingt, hängt entscheidend von der Ausgestaltung des Traineeprogramms sowie von der Auswahl der Trainees ab. Traineeprogramme haben regen Zulauf und Erfolg, jedoch darf man bei Einführung eines solchen Programms die recht hohen Entwicklungs- und Durchführungskosten nicht außer Acht lassen.
Neben der Anwendung von Traineeprogrammen bei Hochschulabsolventen sind auch Programme für Nichtakademiker möglich. Der zentrale Fokus liegt dabei immer auf der unternehmensspezifischen Einarbeitung und Kompetenzvermittlung im Unternehmen.
Was versteht man unter einem Traineeprogramm?
Traineeprogramme sind strukturierte Einarbeitungs- und Förderprogramme für Hochschulabsolventen zur Vermittlung praktischer Fähigkeiten und persönlicher Berufserfahrung. Sie geben den meist theoretisch sehr versierten Hochschulabsolventen Gelegenheit, die Funktionsweise betrieblicher Strukturen, die Zusammenarbeit im Team und in der Hierarchie sowie die lösungsorientierte Bearbeitung von komplexen Aufgabenstellungen in Projekten praktisch zu erfahren. Sie dienen darüber hinaus dazu, Hochschulabsolventen besser kennen zu lernen, ihre Potenziale zu analysieren und sie im Betrieb zu sozialisieren, um sie so auf eine weiterführende Tätigkeit vorzubereiten.
Traineeprogramme sind in der Regel auf eine Dauer von ein bis zwei Jahren angelegt. Sie bestehen aus aufeinander abgestimmten Praxiseinsätzen in verschiedenen Unternehmensbereichen, Abteilungen, Projekten (on-the-Job-Qualifizierung) sowie der Teilnahme an Seminaren und Workshops (off-the-job-Qualifizierung).
Traineeprogramme werden selten für einzelne Absolventen durchgeführt, sondern meist für eine Gruppe von Trainees, die in einem bestimmten Zeitraum ins Unternehmen einsteigen. Dies hat nicht nur organisatorische und finanzielle Vorteile, sondern eröffnet auch die Möglichkeit, dass die Trainees voneinander lernen und sich untereinander vernetzen, was die spätere Zusammenarbeit erleichtert.
Dabei durchlaufen die Trainees in der Regel nicht alle zusammen und gleichzeitig dieselben Stationen; vielmehr ist der praktische Einsatz häufig in unterschiedlichen Unternehmensbereichen, Abteilungen und Projekten. Seminare und Workshops hingegen werden regelmäßig gemeinsam besucht. Sie sind sozusagen das verbindende Glied zwischen den verschiedenen Trainees.
Einem Traineeprogramm geht regelmäßig ein systematischer Auswahlprozess von Hochschulabsolventen voraus. Nach Beendigung des Programms können sich Einsatzmöglichkeiten zum Beispiel als Führungsnachwuchs oder als Spezialist ergeben.
Betrachtet man die in der Praxis vorkommenden Traineeprogramme, so lassen sich auf einem Kontinuum an Varianten grundsätzlich die allgemeinen, fachübergreifenden von den fachspezifischen Förderprogrammen unterscheiden.
Allgemeine, fachübergreifende Traineeprogramme
Hier durchläuft ein Trainee verschiedene Unternehmensbereiche und erhält somit einen strukturierten Überblick über das gesamte Unternehmen und Einblick in die wichtigsten Geschäftsbereiche und -prozesse.
Vorteile dieser Form von Traineeprogrammen sind:
- Man kann als Unternehmen prüfen, in welchem Bereich der Absolvent am besten einsetzbar ist.
- Die Trainees erhalten einen Gesamtüberblick, lernen die die Verzahnungen des Unternehmens kennen und verstehen besser, was in den einzelnen Unternehmensbereichen gemacht wird.
- Sie können bereits Kontakte zu Ansprechpartnern in vielen Unternehmensbereichen knüpfen, was die spätere Zusammenarbeit erleichtert.
Ein solches Traineeprogramm ist gut geeignet für Absolventen, die fachlich noch nicht festgelegt oder vielseitig interessiert sind und die sich noch orientieren möchten; sie verstehen sich regelmäßig eher als Generalisten.
Fachspezifisches Traineeprogramm mit Vertiefungsphase
In diesem Fall steht von Beginn an ein bestimmter Bereich fest, auf den die Einsatzstationen konzentriert sind (z.B. Marketing/Vertrieb, Finanzen/Controlling, Personalbereich, Einkauf).
Innerhalb dieses Unternehmensbereiches erhalten die Trainees dann Einblick in verschiedene Abteilungen/Aufgabenschwerpunkte und haben meist einen Schwerpunkt in einem bestimmten Aufgabenbereich. In der Regel werden noch Schnittstellenabteilungen, aber keine weitere Stationen im Unternehmen einbezogen.
Vorteile dieser Programmvariante sind:
- Die Absolventen erhalten einen sehr viel tieferen Einblick in einen Unternehmensbereich als bei einem allgemeinen Traineeprogramm.
- Sie können sehr viel schneller produktiv eingesetzt werden und eigenständig Aufgaben übernehmen.
Ein solches Programm ist eher für Absolventen geeignet, die fachlich bereits festgelegt sind und sich stärker als Fachspezialisten verstehen.
Wie sind Traineeprogramme strukturiert?
Die meisten in der Praxis vorfindbaren Traineeprogramme bestehen aus festgelegten Bausteinen, die in der Reihenfolge und zeitlichen Dauer variieren können. Die Praxis kehrt sich immer mehr ab von fest strukturierten Abläufen für alle Trainees eines Unternehmens unabhängig von Vorkenntnissen, Zielposition und Interessen. Der Trend geht ganz klar in Richtung flexibler Modelle, die die angestrebte Zielposition ebenso berücksichtigen wie das Profil des jeweiligen Trainees.
Allen Traineeprogrammen gemeinsam ist, dass sich regelmäßig gemeinsame Veranstaltungen aller Trainees (z.B. Einführungsveranstaltung, Seminare, Workshops, gemeinsame Projekte) mit individuellen praktischen Einsätzen im Unternehmen abwechseln. Die Praxisphasen sind in der Regel mehrere Wochen und Monate lang, damit die Trainees nicht nur mal reinschauen wie bei einem Praktikum, sondern tatsächlich mitarbeiten können.
Bei fachspezifischen Traineeprogrammen kann es sogar sein, dass mehr als 50 Prozent der Zeit in ein und demselben Bereich verbracht wird. Darüber hinaus sind Einsätze in nicht ganz so wichtigen Unternehmensbereichen von deutlich kürzerer Dauer (z.B. 1-2 Wochen) möglich.
Die übergreifenden Veranstaltungen sind ebenfalls unterschiedlich umfangreich ausgerichtet. Da die Trainees aber z.T. aus verschiedenen Standorten anreisen und auch ausreichend Gelegenheit zum "Networking" untereinander bestehen soll, sind mehrtägige Veranstaltungen empfehlenswert.
Zu Beginn eines Traineeprogramms findet man meist eine Einführungsveranstaltung und eine kurze Orientierungsphase in Seminarform (oft ?Initial Training? genannt). Dann folgt der Durchlauf durch verschiedene Bereiche und Abteilungen, in denen ein Überblick und vertiefender Einblick in die jeweiligen Geschäftsprozesse gegeben wird. Idealerweise schließt ein Einsatz mit der eigenverantwortlichen Bearbeitung von Prozessen oder Projekten im jeweiligen Einsatzbereich ab. In international ausgerichteten Unternehmen ist eine Station im Ausland oft obligatorisch.
Beispiel
18-monatiges Internationales Traineeprogramm im Bereich Marketing/Sales bei Haribo (Zielposition Junior-Produktmanager/in)
- Produktmanagement I: 2 Monate
- Produktion: 0,5 Monate
- Qualitätssicherung: 0,5 Monate
- Zentraleinkauf: 0,5 Monate
- Vertrieb Außendienst: 1 Monat
- Produktmanagement II: 1,5 Monate
- POS-Management: 2 Monate
- Werbung: 1 Monat
- Marktforschung: 1 Monat
- Public Relations: 1 Monat
- Controlling: 1 Monat
- Vertiefungsphase: 6 Monate
Quelle: http://www.haribo.com/planet/de/info/main/stellen/index.php?menu=trainee_5
Wie verbreitet sind Traineeprogramme?
Traineeprogramme sind von Hochschulabsolventen sehr gefragt. Das Interesse daran ist in den letzten Jahren gewachsen. Auf der Seite der Unternehmen ist aber das Angebot von Traineeprogrammen in den letzten Jahren eher rückläufig gewesen.
Gründe dafür dürften die restriktivere Einstellungspolitik von Unternehmen gepaart mit Überlegungen zur Kosteneinsparung sein. Die Entwicklung eines Traineeprogramms wie die Vorauswahl der Trainees und die Durchführung und Begleitung einer solchen Fördermaßnahme können schnell in den sechsstelligen Eurobereich gehen.
Traineeprogramme findet man deshalb auch am häufigsten bei größeren Unternehmen. Im Mittelstand sind sie deutlich weniger vertreten. Auch sind solche Förderprogramme im Banken- und Versicherungsbereich, in der Automobilindustrie (einschließlich Zulieferer) und in der Chemie-/Pharmaindustrie häufiger zu finden als in anderen Branchen.
Praxistipps: Einführung eines Traineeprogramms
Vor der Einführung eines Traineeprogramms sollte sich ein Unternehmen folgende Fragen stellen:
- Wieviele Nachwuchskräfte werden zukünftig benötigt und welche Erwartungen werden an sie gestellt?
- Sind bereits heute bestimmte Zielpositionen erkennbar oder möchte man sich als Unternehmen noch nicht festlegen? Dies ist wichtig für die Entscheidung zwischen einem allgemeinen und einem fachbezogenen Traineeprogramm.
- Welche Fähigkeiten und Kompetenzen möchte man den Absolventen neben der praktischen Erfahrung in konkreten Unternehmensbereichen noch vermitteln? Die Entscheidung hat Auswirkungen auf die Konzeption bzw. das Angebot an Seminaren, Workshops etc. (z.B. :Projektmanagement, EDV, Sprachen, Teamwork, verhaltenspsychologische Seminare?).
- Wie umfangreich sind die Aufgabenbereiche und wie lange benötigt man in etwa, um einen guten Einblick zu erhalten und im Aufgabenbereich erfolgreich mitarbeiten zu können? Dies hat Einfluss auf die Struktur und den Zeitumfang des Traineeprogramms.
- Wie möchte man die Leistungen der Trainees während des Programms bewerten? Leistungsbeurteilungssystem, Feedbackrunden oder ähnliches sind mögliche Instrumente.
- Wer kann und soll die fachliche und die allgemeine Betreuung der Trainees während der Laufzeit des Förderprogramms übernehmen?
- Wie sollen die Trainees gesucht und ausgewählt werden? Für die Suche werden häufig Hochschulkontakte sowie Ausschreibungen in Print- und Onlinemedien genutzt; zur Auswahlentscheidung werden neben Vorstellungsgesprächen sehr häufig auch Assessment Center eingesetzt.
- Wie möchte man den Netzwerkgedanken unter den Trainees fördern? In der Praxis kommen z.B. Einrichten eines Stammtisches, Angebot gemeinsamer Freizeitaktivitäten, eigene Intranetseite zum Networking etc. vor.
- Was sollen Trainees verdienen können? Dies hat deutliche Auswirkungen auf das betriebliche Budget und die Attraktivität als :Arbeitgeber am Arbeitsmarkt (in der Regel richtet sich die Gehaltshöhe nach der Art der Hochschulausbildung und den :Zusatzqualifikationen und Praxiserfahrungen; größere Unternehmen bezahlen in etwa soviel wie bei Direkteinsteigern; Mittelständler :liegen meist etwas niedriger).
Vor dem Hintergrund der hohen Konzeptions- und Durchführungskosten sollte die Einführung eines Traineeprogramms insbesondere abhängig von der Zahl der geplanten Trainees und der Langfristigkeit des Programms gemacht werden.
Autorin
Dr. Ruth Böck
r-boeck(at)upo.de