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'''Unternehmen erkennen die Brisanz des Themas''' | '''Unternehmen erkennen die Brisanz des Themas''' | ||
Das Ergebnis überrascht, denn bereits 2011 war der Anteil der Unternehmen, die in Umfragen bestätigten, sich mit einer Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege zu beschäftigten, auf 40 Prozent gestiegen. Nach Angaben der ZQP-Studie halten 76 Prozent der Personalentscheider das Thema für (sehr) wichtig. Anders als noch vor einigen Jahren führt die Pflege-Thematik in vielen Betrieben längst kein Schattendasein mehr. Die meisten Unternehmen haben die Brisanz des Themas erkannt, denn die Bevölkerungsprognosen sprechen eine eindeutige Sprache. 2013 gab es in Deutschland bereits 2,6 Millionen Pflegebedürftige im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes. Hochrechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zufolge wird sich diese Zahl bis 2050 fast verdoppeln. Erfasst werden damit allerdings nur diejenigen mit bescheinigter Pflegestufe. Wie viele Menschen hilfebedürftig sind, ohne dass ihnen der Medizinische Dienst bislang eine Pflegestufe zuerkannt hat, ist eine unbekannte Größe. Diese Menschen benötigen jedoch ebenfalls oft Unterstützung durch ihre Angehörigen | Das Ergebnis überrascht, denn bereits 2011 war der Anteil der Unternehmen, die in Umfragen bestätigten, sich mit einer Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege zu beschäftigten, auf 40 Prozent gestiegen. Nach Angaben der ZQP-Studie halten 76 Prozent der Personalentscheider das Thema für (sehr) wichtig. Anders als noch vor einigen Jahren führt die Pflege-Thematik in vielen Betrieben längst kein Schattendasein mehr. Die meisten Unternehmen haben die Brisanz des Themas erkannt, denn die Bevölkerungsprognosen sprechen eine eindeutige Sprache. 2013 gab es in Deutschland bereits 2,6 Millionen Pflegebedürftige im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes. Hochrechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zufolge wird sich diese Zahl bis 2050 fast verdoppeln. Erfasst werden damit allerdings nur diejenigen mit bescheinigter Pflegestufe. Wie viele Menschen hilfebedürftig sind, ohne dass ihnen der Medizinische Dienst bislang eine Pflegestufe zuerkannt hat, ist eine unbekannte Größe. Diese Menschen benötigen jedoch ebenfalls oft Unterstützung durch ihre Angehörigen - zum Beispiel beim Putzen, Kochen oder Einkaufen. | ||
'''Ohne geeignete Unterstützung kann Pflegebelastung zum beruflichen Ausstieg führen''' | '''Ohne geeignete Unterstützung kann Pflegebelastung zum beruflichen Ausstieg führen''' | ||
Untersuchungen belegen, dass die zeitliche, gesundheitliche und emotionale Belastung durch Pflegeaufgaben oft gesundheitliche Folgen hat. Pflegende Angehörige klagen zum Beispiel signifikant häufiger über Rückschmerzen sowie Schlafstörungen und können deutlich weniger Energie aus ihrem Privatleben schöpfen als andere Personen. Die privaten Belastungen machen sich vielfach auch beruflich bemerkbar: Betroffene Beschäftigte sind öfter krank und können sich schlechter auf ihre Arbeit konzentrieren. Viele reduzieren ihre Arbeitszeiten. Manche sehen sich sogar gezwungen, ganz aus dem Berufsleben auszusteigen. Mit geeigneten Maßnahmen ist es möglich, einem solchen | Untersuchungen belegen, dass die zeitliche, gesundheitliche und emotionale Belastung durch Pflegeaufgaben oft gesundheitliche Folgen hat. Pflegende Angehörige klagen zum Beispiel signifikant häufiger über Rückschmerzen sowie Schlafstörungen und können deutlich weniger Energie aus ihrem Privatleben schöpfen als andere Personen. Die privaten Belastungen machen sich vielfach auch beruflich bemerkbar: Betroffene Beschäftigte sind öfter krank und können sich schlechter auf ihre Arbeit konzentrieren. Viele reduzieren ihre Arbeitszeiten. Manche sehen sich sogar gezwungen, ganz aus dem Berufsleben auszusteigen. Mit geeigneten Maßnahmen ist es möglich, einem solchen "Adlerlass" vorzubeugen, betroffene Beschäftigte zu stärken und ihnen Optionen aufzuzeigen, wie sich eine verantwortungsbewusste Pflege und berufliches Engagement gleichermaßen verwirklichen lassen. | ||
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Bei der Umsetzung entsprechender Angebote an die Beschäftigten scheint es jedoch bei kleinen und mittleren Unternehmen noch Nachholbedarf zu geben. Laut einer nicht repräsentativen ZQP-Unternehmensbefragung machen erst 13 Prozent der Betriebe mit bis zu 249 Beschäftigten ihren Belegschaften entsprechende Angebote. Bei größeren Unternehmen sind es bereits 43 Prozent. | Bei der Umsetzung entsprechender Angebote an die Beschäftigten scheint es jedoch bei kleinen und mittleren Unternehmen noch Nachholbedarf zu geben. Laut einer nicht repräsentativen ZQP-Unternehmensbefragung machen erst 13 Prozent der Betriebe mit bis zu 249 Beschäftigten ihren Belegschaften entsprechende Angebote. Bei größeren Unternehmen sind es bereits 43 Prozent. | ||
Viele Geschäftsführerinnen und -führer sind unsicher, wie sie das Thema angehen sollen, oder befürchten hohe Kosten. Vielfach entsteht im Berufsalltag auch der Eindruck, dass es bei den eigenen Beschäftigten keinen Bedarf für Maßnahmen gibt, die in Pflegesituationen unterstützen. Das hängt erfahrungsgemäß damit zusammen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über dieses Thema | Viele Geschäftsführerinnen und -führer sind unsicher, wie sie das Thema angehen sollen, oder befürchten hohe Kosten. Vielfach entsteht im Berufsalltag auch der Eindruck, dass es bei den eigenen Beschäftigten keinen Bedarf für Maßnahmen gibt, die in Pflegesituationen unterstützen. Das hängt erfahrungsgemäß damit zusammen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über dieses Thema - wenn überhaupt - nur mit ihren direkten Kolleginnen und Kollegen sprechen. | ||
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'''Studie belegt Informationsdefizit bei Beschäftigten''' | '''Studie belegt Informationsdefizit bei Beschäftigten''' | ||
Mit ihrem hohen Informationsbedarf zu Pflegethemen stehen die Befragten dieser Unternehmen nicht alleine da. Die erwähnte ZQP-Studie offenbart generell ein großes Wissensdefizit | Mit ihrem hohen Informationsbedarf zu Pflegethemen stehen die Befragten dieser Unternehmen nicht alleine da. Die erwähnte ZQP-Studie offenbart generell ein großes Wissensdefizit - insbesondere in Bezug auf die gesetzlichen Regelungen des Pflegezeit- und des Familienpflegezeitgesetzes. Selbst unter den Personen, die über eigene Pflegeerfahrung verfügten, kannte nicht einmal die Hälfte die verschiedenen Optionen. | ||
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'''Beratung und Information im Akutfall''' | '''Beratung und Information im Akutfall''' | ||
Neben (bspw. turnusmäßigen) Informationsveranstaltungen ist es für Beschäftigte wichtig, individuelle Unterstützung bekommen zu können | Neben (bspw. turnusmäßigen) Informationsveranstaltungen ist es für Beschäftigte wichtig, individuelle Unterstützung bekommen zu können - zum Beispiel, wenn eine Pflegesituation akut auftritt oder das Vereinbarkeitsarrangement für Beruf und Pflege in eine Krise gerät. In dieser Situation kann ein betrieblicher Pflegelotse oder eine -lotsin eine gute erste Anlaufstelle sein. Ergänzend ist ein betrieblicher "Pflegekoffer" mit Info-Materialien hilfreich. Beschäftigte, Pflegelotsinnen und -lotsen, Personalverantwortliche und Unternehmensleitungen können sich damit schnell über bestimmte Pflegethemen auf den aktuellen Stand bringen. | ||
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''Ich verdichte die Informationsflut'' | ''Ich verdichte die Informationsflut'' | ||
Erfahrungsgemäß befinden sich die Betroffenen häufig in einer herausfordernden Situation und benötigen schnell verlässliche Auskünfte. Sie möchten zum Beispiel wissen, welche Schritte sie in einer neu aufgetretenen Pflegesituation einleiten müssen, welche gesetzlichen Vorgaben gelten, welche Möglichkeiten es gibt, Beruf und Pflege zu vereinbaren, oder wie sich eine Pflege finanzieren lässt. Vieles davon könnten sie sich sicherlich auch selbst im Internet zusammensuchen. Doch das ist aufwändig und in einer belastenden Situation kaum zu leisten. | Erfahrungsgemäß befinden sich die Betroffenen häufig in einer herausfordernden Situation und benötigen schnell verlässliche Auskünfte. Sie möchten zum Beispiel wissen, welche Schritte sie in einer neu aufgetretenen Pflegesituation einleiten müssen, welche gesetzlichen Vorgaben gelten, welche Möglichkeiten es gibt, Beruf und Pflege zu vereinbaren, oder wie sich eine Pflege finanzieren lässt. Vieles davon könnten sie sich sicherlich auch selbst im Internet zusammensuchen. Doch das ist aufwändig und in einer belastenden Situation kaum zu leisten. "Ich verdichte die Informationsflut, lotse durch das Zuständigkeitsgewirr der Behörden und Institutionen und betätige mich als Übersetzerin vom Bürokratischen ins Deutsche", fasst Mariel Radlwimmer ihre Aufgabe zusammen. | ||
Die Angehörigenpflege ist jedoch nicht nur organisatorisch, sondern vielfach vor allem emotional eine besondere Herausforderung. Die DKFZ-Pflegelotsin hat daher immer ein offenes Ohr dafür und kann je nach Bedarf zu weiteren Unterstützungsangeboten lotsen | Die Angehörigenpflege ist jedoch nicht nur organisatorisch, sondern vielfach vor allem emotional eine besondere Herausforderung. Die DKFZ-Pflegelotsin hat daher immer ein offenes Ohr dafür und kann je nach Bedarf zu weiteren Unterstützungsangeboten lotsen - zum Beispiel zu einer psychologischen Beratungsstelle im eigenen Hause. | ||
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'''Danksagung''' | '''Danksagung''' | ||
Wesentliche Informationen aus diesem Beitrag stammen aus Vorträgen, die Christiane Flüter-Hoffmann vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Mariel Radlwimmer vom DKFZ sowie Dr. Sigrun Fuchs von der Thüringer Agentur für Fachkräftegewinnung (ThAFF) auf dem Zukunftskongress für Bildung und Betreuung | Wesentliche Informationen aus diesem Beitrag stammen aus Vorträgen, die Christiane Flüter-Hoffmann vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Mariel Radlwimmer vom DKFZ sowie Dr. Sigrun Fuchs von der Thüringer Agentur für Fachkräftegewinnung (ThAFF) auf dem Zukunftskongress für Bildung und Betreuung "Invest in Future" 2015 in Stuttgart gehalten haben. (www.invest-in-future.de) | ||
Aktuelle Version vom 4. März 2016, 11:16 Uhr
Wie Unternehmen Beschäftigte effektiv unterstützen können
Demografische Daten zeigen: Die Zahl der Pflegebedürftigen wird deutlich wachsen und deren Versorgung vielfach auch diejenigen beanspruchen, die im Arbeitsleben stehen. Mit Informationsveranstaltungen, einem Pflegelotsen oder einer Pflegelotsin sowie einem betrieblichen Pflegekoffer können Unternehmen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Pflegesituationen wirkungsvoll unterstützen. Um aktuelle Bedarfe zu ermitteln, bietet sich eine Beschäftigtenbefragung an.
Nach Ansicht der großen Mehrheit der Bevölkerung ist es mit der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege in Deutschland nicht zum Besten bestellt. Das ergab eine 2016 erschienene Studie des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP). 80 Prozent der Befragten sagten, dass sich die beiden Aufgabenfelder eher schlecht bzw. sehr schlecht vereinbaren ließen.
Unternehmen erkennen die Brisanz des Themas
Das Ergebnis überrascht, denn bereits 2011 war der Anteil der Unternehmen, die in Umfragen bestätigten, sich mit einer Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege zu beschäftigten, auf 40 Prozent gestiegen. Nach Angaben der ZQP-Studie halten 76 Prozent der Personalentscheider das Thema für (sehr) wichtig. Anders als noch vor einigen Jahren führt die Pflege-Thematik in vielen Betrieben längst kein Schattendasein mehr. Die meisten Unternehmen haben die Brisanz des Themas erkannt, denn die Bevölkerungsprognosen sprechen eine eindeutige Sprache. 2013 gab es in Deutschland bereits 2,6 Millionen Pflegebedürftige im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes. Hochrechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zufolge wird sich diese Zahl bis 2050 fast verdoppeln. Erfasst werden damit allerdings nur diejenigen mit bescheinigter Pflegestufe. Wie viele Menschen hilfebedürftig sind, ohne dass ihnen der Medizinische Dienst bislang eine Pflegestufe zuerkannt hat, ist eine unbekannte Größe. Diese Menschen benötigen jedoch ebenfalls oft Unterstützung durch ihre Angehörigen - zum Beispiel beim Putzen, Kochen oder Einkaufen.
Ohne geeignete Unterstützung kann Pflegebelastung zum beruflichen Ausstieg führen
Untersuchungen belegen, dass die zeitliche, gesundheitliche und emotionale Belastung durch Pflegeaufgaben oft gesundheitliche Folgen hat. Pflegende Angehörige klagen zum Beispiel signifikant häufiger über Rückschmerzen sowie Schlafstörungen und können deutlich weniger Energie aus ihrem Privatleben schöpfen als andere Personen. Die privaten Belastungen machen sich vielfach auch beruflich bemerkbar: Betroffene Beschäftigte sind öfter krank und können sich schlechter auf ihre Arbeit konzentrieren. Viele reduzieren ihre Arbeitszeiten. Manche sehen sich sogar gezwungen, ganz aus dem Berufsleben auszusteigen. Mit geeigneten Maßnahmen ist es möglich, einem solchen "Adlerlass" vorzubeugen, betroffene Beschäftigte zu stärken und ihnen Optionen aufzuzeigen, wie sich eine verantwortungsbewusste Pflege und berufliches Engagement gleichermaßen verwirklichen lassen.
Betriebliche Angebote sind noch Mangelware
Bei der Umsetzung entsprechender Angebote an die Beschäftigten scheint es jedoch bei kleinen und mittleren Unternehmen noch Nachholbedarf zu geben. Laut einer nicht repräsentativen ZQP-Unternehmensbefragung machen erst 13 Prozent der Betriebe mit bis zu 249 Beschäftigten ihren Belegschaften entsprechende Angebote. Bei größeren Unternehmen sind es bereits 43 Prozent.
Viele Geschäftsführerinnen und -führer sind unsicher, wie sie das Thema angehen sollen, oder befürchten hohe Kosten. Vielfach entsteht im Berufsalltag auch der Eindruck, dass es bei den eigenen Beschäftigten keinen Bedarf für Maßnahmen gibt, die in Pflegesituationen unterstützen. Das hängt erfahrungsgemäß damit zusammen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über dieses Thema - wenn überhaupt - nur mit ihren direkten Kolleginnen und Kollegen sprechen.
Maßnahmen systematisch aufbauen
Um Unterstützungsmaßnahmen bedarfsgerecht aufbauen zu können, empfiehlt sich zunächst eine Ist-Analyse. Dazu erfasst eine verantwortliche Person aus dem Unternehmen oder ein externer Dienstleistungsanbieter bestehende betriebliche Angebote, die eine Vereinbarkeit von Beruf und Pflege unterstützen. Dazu gehören zum Beispiel die Möglichkeit, vom Home-Office aus zu arbeiten, Arbeitszeiten zu flexibilisieren, Kantinenessen mit nach Hause zu nehmen oder einen Bügelservice zu nutzen. Im nächsten Schritt ist eine Beschäftigtenbefragung sinnvoll: So lassen sich die aktuellen Informations- und Unterstützungsbedarfe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Bezug auf Pflegethemen ermitteln.
Beispiel: Unternehmen führen gemeinsame Befragung durch
Im Stuttgarter Engineering Park STEP schlossen sich drei kleinere Unternehmen, die unter einem Dach arbeiten, zusammen und führten eine Beschäftigtenbefragung gemeinsam durch. Von den insgesamt rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nahmen 86 an der Befragung teil. Mit einer solch großen Resonanz hatten die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer nicht gerechnet. Da ihre Belegschaften einen niedrigen Altersschnitt aufweisen, waren sie davon ausgegangen, dass sich nur ein geringer Teil für Pflegethemen interessieren würde. Die Befragung zeigte jedoch, dass sich aktuell bereits sieben Prozent der Beschäftigten in einer Pflege- bzw. Betreuungssituation befanden. 36 Prozent halfen regelmäßig älteren Menschen zum Beispiel beim Einkauf oder der Gartenarbeit. 28 Prozent erwarteten in naher und 48 Prozent in fernerer Zukunft im familiären Umfeld mit Pflegeaufgaben konfrontiert zu sein. Insgesamt zeigte sich ein hoher Informationsbedarf. Besonders interessierte die Beschäftigten, welche Vollmachten von Patientinnen und Patienten vorliegen sollten und wie sich ein altersgerechtes Wohnumfeld gestalten lässt.
Studie belegt Informationsdefizit bei Beschäftigten
Mit ihrem hohen Informationsbedarf zu Pflegethemen stehen die Befragten dieser Unternehmen nicht alleine da. Die erwähnte ZQP-Studie offenbart generell ein großes Wissensdefizit - insbesondere in Bezug auf die gesetzlichen Regelungen des Pflegezeit- und des Familienpflegezeitgesetzes. Selbst unter den Personen, die über eigene Pflegeerfahrung verfügten, kannte nicht einmal die Hälfte die verschiedenen Optionen.
Veranstaltungsreihe zur Pflegethemen
Mit Informationsveranstaltungen können Betriebe dazu beitragen, die nötigen Grundlagen dafür zu schaffen, dass Beschäftigte und Unternehmen, wenn der akute Fall eintritt, gute Lösungen für eine längerfristige Vereinbarkeit von Beruf und Pflege finden können. Folgende Themenbereiche bieten sich erfahrungsgemäß für solche Veranstaltungen an:
- Rechtliche und finanzielle Aspekte
- Tipps für die alltägliche Pflegepraxis
- Wohnumfeld und Wohnformen
- Unterstützungs- und Entlastungsangebote für pflegende Angehörige.
Unternehmen können Infotage oder -abende alleine bzw. im Verbund selbst organisieren oder ein externes Dienstleistungsunternehmen mit der Planung und Durchführung beauftragen.
Beratung und Information im Akutfall
Neben (bspw. turnusmäßigen) Informationsveranstaltungen ist es für Beschäftigte wichtig, individuelle Unterstützung bekommen zu können - zum Beispiel, wenn eine Pflegesituation akut auftritt oder das Vereinbarkeitsarrangement für Beruf und Pflege in eine Krise gerät. In dieser Situation kann ein betrieblicher Pflegelotse oder eine -lotsin eine gute erste Anlaufstelle sein. Ergänzend ist ein betrieblicher "Pflegekoffer" mit Info-Materialien hilfreich. Beschäftigte, Pflegelotsinnen und -lotsen, Personalverantwortliche und Unternehmensleitungen können sich damit schnell über bestimmte Pflegethemen auf den aktuellen Stand bringen.
Praxisbeispiel: Beruf und Pflege vereinbaren am DKFZ
Vielen Betrieben und Institutionen gelingt es, diese Maßnahmen ohne allzu große Investitionen zu realisieren. Ein Beispiel dafür ist das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Das DKFZ bietet im Rahmen des Heidelberger Bündnisses für Familie seinen Beschäftigten bereits seit längerem Vortragsveranstaltungen zu Pflegethemen an. Über diesen Zusammenschluss, dem quasi alle namhaften Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber der Stadt angehören, war es auch möglich, Beschäftigte zu Pflegelotsinnen und -lotsen ausbilden zu lassen. Für das DKFZ nahm Mariel Radlwimmer das Angebot an und widmet ihr Ehrenamt als stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte seither vor allem ihrer Tätigkeit als Pflegelotsin. Aus eigener Betroffenheit war sie sehr an dem Thema interessiert und brachte dadurch auch bereits viel Vorwissen mit.
Flyer machen auf Pflegelotsin aufmerksam
Rund 30 Beschäftigte ließen sich in den vergangenen eineinhalb Jahren am DKFZ von der Pflegelotsin vertraulich beraten. Viel mehr, als der Arbeitsgeber zunächst vermutet hatte. Ausliegende Flyer und regelmäßige Berichte auf Betriebsversammlungen machen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf das Angebot aufmerksam. Im DKFZ lautete eines der Erfolgsgeheimnisse, die Sekretariate gut zu unterrichten, denn sie geben die Information vielfach an Beschäftigte mit Pflegeaufgaben weiter.
Ich verdichte die Informationsflut
Erfahrungsgemäß befinden sich die Betroffenen häufig in einer herausfordernden Situation und benötigen schnell verlässliche Auskünfte. Sie möchten zum Beispiel wissen, welche Schritte sie in einer neu aufgetretenen Pflegesituation einleiten müssen, welche gesetzlichen Vorgaben gelten, welche Möglichkeiten es gibt, Beruf und Pflege zu vereinbaren, oder wie sich eine Pflege finanzieren lässt. Vieles davon könnten sie sich sicherlich auch selbst im Internet zusammensuchen. Doch das ist aufwändig und in einer belastenden Situation kaum zu leisten. "Ich verdichte die Informationsflut, lotse durch das Zuständigkeitsgewirr der Behörden und Institutionen und betätige mich als Übersetzerin vom Bürokratischen ins Deutsche", fasst Mariel Radlwimmer ihre Aufgabe zusammen.
Die Angehörigenpflege ist jedoch nicht nur organisatorisch, sondern vielfach vor allem emotional eine besondere Herausforderung. Die DKFZ-Pflegelotsin hat daher immer ein offenes Ohr dafür und kann je nach Bedarf zu weiteren Unterstützungsangeboten lotsen - zum Beispiel zu einer psychologischen Beratungsstelle im eigenen Hause.
Personalabteilung unterstützt mit individuellen Arbeitszeitlösungen
Wenn es darum geht, die Berufstätigkeit an eine sich verändernde Pflegesituation anzupassen, hilft die Personalabteilung des DKFZ. Die Bereitschaft dort ist groß, individuelle Arbeitszeitarrangements zu finden, die es ermöglichen, Beruf und Pflege gut zu vereinbaren. In jedem Einzelfall nach geeigneten Lösungen zu suchen, ist quasi unabdingbar. Denn die Themen und Herausforderungen in Pflegesituationen sind so individuell, dass standardisierte Angebote kaum funktionieren.
Maßnahmen auch im Verbund realisierbar
Für kleine und mittlere Unternehmen kann es sinnvoll sein, die Frage nach einer Ansprechperson zu Pflegethemen im Verbund lösen: Beispielsweise lassen sich Pflegelotsen oder Pflegelotsinnen ausbilden, welche diese Aufgabe in mehreren Betrieben übernehmen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, bei einem Dienstleistungsanbieter den Service einzukaufen.
Ideale Ergänzung: ein betrieblicher Pflegekoffer
Ein sogenannter betrieblicher Pflegekoffer, der allgemeines und regionales Informationsmaterial zum Thema Vereinbarkeit von Beruf und Pflege sowie zu den arbeits- und rentenrechtlichen Regelungen enthält, kann das Angebot gut vervollständigen. Beispielsweise besteht in Thüringen für Unternehmen die Möglichkeit, einen solchen Pflegekoffer, den sie evtl. noch mit Informationen zu betrieblichen Angeboten ergänzen können, bei der Thüringer Servicestelle Beruf und Familie anzufordern. Der Koffer ist gegliedert in Informationen für Beschäftigte und solche für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Ein Plakat, das auf den Pflegekoffer aufmerksam macht und im Unternehmen aufgehängt werden kann, ist ebenfalls dabei. Die Zahl der Länder bzw. Regionen, in denen ein solcher Service angeboten wird, ist bislang noch sehr überschaubar. Andernorts ist Eigenleistung gefragt, um einen entsprechenden Info-Koffer zusammenzustellen. Manche Betriebe machen daraus ein Projekt für Praktikantinnen und Praktikanten oder betrauen Auszubildende mit der Aufgabe, die entsprechenden Informationen zu beschaffen.
Fazit
Grundsätzlich ist es auch für kleine und mittlere Unternehmen unkompliziert möglich, ihren Beschäftigten wertvolle Unterstützung bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu geben. Der finanzielle Aufwand für dieses Engagement ist in der Regel überschaubar. Für kleine Unternehmen ist eine Umsetzung im Verbund vielfach sinnvoll. Vorträge zu Pflege- bzw. Vorsorgethemen, Beratungsangebote durch Pflegelotsinnen und Pflegelotsen, die Erstellung eines regionalen Pflegekoffers: In allen diesen Punkten können sich Betriebe gut gegenseitig unterstützen und gemeinsam Angebote realisieren, die im Einzelfall aufgrund der geringen Beschäftigtenzahl evtl. nicht ausreichend nachgefragt würden. Betriebe, die die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege zum Thema machen, profitieren von einem wichtigen Effekt: Sie ermutigen betroffene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, über ihre Situation zu sprechen. Häufig lassen sich dadurch bereits frühzeitig in einem Pflegeprozess die Weichen so stellen, dass es den Beschäftigten gelingt, sowohl die Pflegeaufgaben gut zu meistern als auch weiterhin engagiert berufstätig zu sein.
Autorin
Silke Hachenberg
silke.hachenberg(at)konzept-e.de
Danksagung
Wesentliche Informationen aus diesem Beitrag stammen aus Vorträgen, die Christiane Flüter-Hoffmann vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Mariel Radlwimmer vom DKFZ sowie Dr. Sigrun Fuchs von der Thüringer Agentur für Fachkräftegewinnung (ThAFF) auf dem Zukunftskongress für Bildung und Betreuung "Invest in Future" 2015 in Stuttgart gehalten haben. (www.invest-in-future.de)
Links
Studie Vereinbarkeit von Beruf und Pflege, Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) https://www.zqp.de/index.php?pn=press&id=496
Christiane Flüter-Hoffmann, Institut der deutschen Wirtschaft Köln http://www.iwkoeln.de/institut/personen-und-gremien/detail/19535
Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) https://www.dkfz.de/de/index.html
Betrieblicher Pflegekoffer der Thüringer Agentur für Fachkräftegewinnung (ThAFF) http://www.thaff-thueringen.de/tsbf/unternehmen/familienbewusste-personalpolitik/betrieblich-unterstuetze-vereinbarkeit-beruf-pflege/betrieblicher-pflegekoffer
Konzept-e für Bildung und Betreuung gGmbH http://www.konzept-e.de/startseite/angebote/vereinbarkeitberufpflege/angebote-fuer-unternehmen/
Invest in Future, Zukunftskongress für Bildung und Betreuung http://www.invest-in-future.de